"Unternehmer sein sollte wieder Spaß machen können."

IGA-Positionierung zum Protestgeschehen vom 15.01.2024




im Interview mit der "Freien Presse" am 17.01.2024, Foto: Georg Dostmann


Die Industrie- & Gewerbevereinigung Westerzgebirge e.V. (folglich IGA) vertritt ca. 150 Mitgliedsunternehmen aus den Branchen Industrie, Handwerk und Dienstleistungen. Als wirtschaftliche Interessenvertretung haben wir das aktuelle Protestgeschehen im Erzgebirge sowie bundesweit wahrgenommen, uns jedoch bewusst nicht in erster Stunde positioniert. Im Sinne eines reflektierten Standpunktes und dem Versuch der Komplexität der Lage gerecht zu werden, legen wir nachfolgend unseren Standpunkt dar. Es handelt sich weder um ein Protestschreiben noch einen Brandbrief. Wir möchten uns für die Region Westerzgebirge im Sinne unserer Mitgliedsunternehmen demokratisch und zielführend äußern, mit dem Ziel ein „Dagegen“ in ein „Für die Zukunft“ zu wandeln.

Die IGA vertritt keine ausschließlichen Landwirtschaftsbetriebe, es ist jedoch deutlich zu erkennen, dass die Problemlagen der Bauernschaft unmittelbare Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Lage hat und somit ein demokratischer Protest zu befürworten ist. In Ausmaß und Art und Weise ist dieser jedoch nicht in allen Facetten zu unterstützen. Es ist festzuhalten, dass mit dem Protestgeschehen der vergangenen Tage deutliche Defizite und Mängel in der aktuellen Politik zu Tage treten und der Protest gegen die politischen Entscheidungen übergreifend breit getragen wird. Die Vielzahl von Kräften (von Handwerkern über Handel und weiteren Dienstleistern) welche sich den Protesten angeschlossen haben, sprechen für eine große Unzufriedenheit in der Unternehmerschaft. Es gilt diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, so möchten wir als Interessenvertretung deutlich Position beziehen. Von undemokratischen und radikalen Kräften, welche sich ebenfalls den Protesten angeschlossen haben, distanzieren wir uns deutlich.

Wir sehen die aktuelle gesamtwirtschaftliche und auch politische Lage kritisch und befürworten den dringenden Gesprächsbedarf an die Politik zur Sicherung der Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Sicht der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft der IGA ist natürlicherweise sehr heterogen im Meinungsbild und nur ein Teil äußert sich zu den aktuellen Protesten oder zur wirtschaftlichen Lage. Die vorliegenden Zusendungen und mündlichen Informationen der Unternehmer in Bezug auf die aktuelle Lage der Bauernproteste und verfehlte Bundespolitik sehen eine bedrohliche Lage für die gesamtwirtschaftliche Situation.

„Am Ende trifft uns der Rattenschwanz dieser Politik alle.
Sowohl geschäftlich als auch privat.“

(C.Wilde, Geschäftsführer Wilde Kommunikation Sachsen GmbH)

Zur Einordnung der Solidarität mit den aktuellen Protesten, ist die nachfolgende Position aus der Mitgliedschaft in die Bewertung der komplexen Lage mit einfließen zu lassen und als ein wichtiges Signal im unternehmerischen Sinne zu werten.

„Als Unternehmer und Selbstständiger liegt es in der Natur der Sache, dass man ständig den Markt und die eigene Positionierung überprüfen und ggf. handeln muss. (…) hilft der Staat nicht jeden und nimmt ihn an die Hand. Das ist auch gut so und haben wir auch so gewollt. (…) Den Unmut über den Wegfall der Subventionen kann ich nachvollziehen. Aber nur in Bezug auf die Kurzfristigkeit.“

(A.Poland, Geschäftsführer Fussboden Poland).

Es ist deutlich zu konstatieren, dass in der Unternehmerschaft ein hohes Bewusstsein für wirtschaftliche Eigenverantwortung besteht, auch in herausfordernden Zeiten. Die Kurzfristigkeit von Entscheidungen wird immer wieder als Hemmnis für produktives Wirtschaften angemahnt. So besteht eine hohe Erwartung nach Planbarkeit. Die nach unserem Verständnis wichtige Aufgabe der Bundespolitik von Vermittlung und strategischer Ausrichtung ist zunehmend nicht mehr gegeben.

„Es fehlt in fast allen Bereichen eine Planungssicherheit“

(R.Rückel, Geschäftsführer metarec GmbH)

Des Weiteren hemmen die zunehmende Bürokratie und hohe Steuerlast das wirtschaftliche Agieren und bedroht die Wettbewerbsfähigkeit vieler Firmen.

„Die bürokratischen Hürden auf allen Ebenen werden immer höher.“

(Anonymes Mitgliedsunternehmen)

 

„Zu hohe Steuerlast, Bürokratie“

(Anonymes Mitgliedsunternehmen)

Ein wichtiges Thema, welches ein Großteil der Mitgliedschaft bewegt, ist das Thema Fachkräftemangel.

„Der Fachkräftemangel, insbesondere in technischen Bereichen, bremst die Geschäftsentwicklung

(A. Hanisch, Geschäftsführer TURCK Beierfeld GmbH)


Hier wäre ein noch nachdrücklicheres Handeln in Bezug auf den Lehrermangel gefordert, um den Fachkräftemangel der Zukunft nicht noch weiter den Boden zu ebnen. Auch eine engere Bindung zwischen Schule und Wirtschaft ist eine breite Erwartungshaltung in der Unternehmerschaft:

„(…) Unterrichtsausfall an den Schulen in nie dagewesenem Ausmaß infolge von Lehrermangel, als Ergebnis verfehlter Sparpolitik im Schulwesen (…)“

(A. Hanisch, Geschäftsführer TURCK Beierfeld GmbH)

 

„Ausrichtung der Schulbildung auf die heutige Gesellschaft
mit Integration der Unternehmen.“

(O.Knauf, Geschäftsführer omeras GmbH)

 

Auch im Blick auf die richtigen Arbeitsanreize sehen ein Teil der Unternehmerschaft die Bundespolitik kritisch, so z.B. mit Blick auf die Entwicklung des Thema Bürgergeldes:

„Das Bürgergeld muss grundsätzlich überarbeitet und reduziert werden.
Der Anreiz für ein Beschäftigungsverhältnis muss gesteigert werden.“

(R.Rückel, Geschäftsführer metarec GmbH)

Sichtweise Vereinskoordinator

In unserer alltäglichen Arbeit als Interessenvertretung der Wirtschaft im Westerzgebirge sehen wir die zunehmende Abnahme der Funktionalität der Kommunikationskanäle zwischen Kommunal-, Landes und Bundespolitik - in ihrer Zielführung und Nachhaltigkeit. Hierbei ist anzumerken, dass es durchaus eine Vielzahl von Gesprächen und Kommunikationsformaten im Kommunalbereich gibt – auch durch Initiative der Landespolitik. Jedoch ist festzustellen, dass die Bundespolitik scheinbar ohne Kenntnisnahme dieser Meinungen, Lageberichte, Ansichten und Impulse agiert.

„Das am vergangenen Montag parallel zu den Protesten in Berlin Gesetze beschlossen werden, ohne einen Aufschub und einen sachlich kritischen Dialog mit den Protestierenden zu führen, zeigt dabei auch wie weit die Entfernung zwischen dem Volk/den Bürgern und deren Regierungsvertretern ist.“

(O.Knauf, Geschäftsführer omeras GmbH)

Eine gefühlte Entkopplung der Entscheidungen und Planung auf Bundesebene im Kontrast zur Situation von Unternehmen, Gewerbetreibenden und Selbständigen ist wahrzunehmen. Im Sinne einer gelebten Demokratie gilt es hier verstärkt die Bedürfnisse der hiesigen Wirtschaft in Planung und Entscheidungsprozessen auf Landes- und Bundesebene einzubeziehen. Wir möchten hier deutlich darauf hinweisen, dass die Wertschöpfung in den Betrieben vor Ort, mit den Menschen vor Ort erfolgt und nicht am Reißbrett. Das Herz der parlamentarischen Demokratie ist die gelebte und fruchtende Kommunalpolitik als Basis des Handels auf Bundeseben. Natürlich in Abwägung mit globalen Voraussetzungen und Entwicklungen, jedoch nicht umgedreht.

Für einen Teil unsere Mitgliedsunternehmen stellt sich eine gewisse Politikverdrossenheit ein – vergleichbar mit der allgemeinen gesellschaftlichen Tendenz. Schriftstücke und Gespräche mit politischen Vertretern werden als nicht nachhaltig eingestuft. Auch unsere Bemühungen mit Bürgermeistern, Abgeordneten etc. ins Gespräch zu kommen ruft des Öfteren Ablehnung hervor.

„Gesamte Regierungspolitik keinen Plan für uns, Gesetze abschließen und wieder zurücknehmen.“

(Anonymes Mitgliedsunternehmen)

Hier gilt es verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen, von beiden Seiten aktiv stetig und verbindlich aufeinander zuzugehen. Wir erwarten eine ernsthafte Kenntnisnahme, wenn nicht Auseinandersetzung mit diesen Inhalten. Als demokratische wirtschaftliche Interessenvertretung glauben wir an die politischen Strukturen unseres Landes und möchten diese gern aktiv nutzen und weiterhin beleben, im Sinne einer gelebten Demokratie - auch im Fall von Streik und Protest.

Erwartungen an die Politik

 

„Unternehmer sein sollte wieder Spaß machen können

(R.Rückel, Geschäftsführer metarec GmbH)

 

Es gilt die Anreize und richtigen Rahmenbedingungen für Unternehmertum zu schaffen und zu bewahren, vor allem im Mittelstand. Denn dieser ist die Basis des Wohlstandes in der Bundesrepublik. Nachfolgende Erwartungen an die Politik sehen wir als essenziell an:


  • Marktwirtschaft muss zugelassen werden – es benötigt Vertrauen in die Unternehmer, Abbau von Bürokratie, Senkung der Abgabenlast und weniger staatliche Eingriffe.
  • Wertschöpfung kommt davon Werte zu schaffen. Arbeitszeitmodelle und Arbeitsanreize, müssen im internationalen Benchmark bestehen können
  • Zielgerichtete Integration von ausländischen Fachkräften im Rahmen einer geordneten Einwanderungspolitik
  • Engagiertes Angehen der Problematik Lehrermangel, sowie ein strukturiertes Verbinden von Bildung und Wirtschaft
  • Ernsthafte Kenntnisnahme des Bedarfs, Problemlagen und Meinungen der regionalen Wirtschaft durch die Kommunalpolitik und deren aufgearbeitete Weiterleitung an die Landes- und Bundespolitik. Ziel wäre die Einarbeitung in die langfristige Ausrichtung der deutschen Wirtschaft und Politik.

Wir möchten mit den Worten schließen, dass der Wunsch nach einem positiven und produktiven Ansatz zur Problemlösung in der Mitgliedschaft vorhanden ist und man die Gemeinschaft, z.B. in der IGA als Möglichkeiten sieht, Krisenzeiten und Engpässen zu entgegen

„(…)können wir nicht klagen und wir haben zufriedene große und kleine Gäste. Das haben wir auch dem Zusammenhalt zwischen uns und unseren Partnern zu verdankend.“

(F. Löffler, Geschäftsführer des Kinder- und Jugenderholungszentrum "Am Filzteich" e. V.)

Diese Positionierung beruht auf einer Auswahl an zugesandten Meinungen, Lageberichten, Forderungen von einigen Mitgliedsunternehmen (nicht der gesamten Mitgliedschaft) und auf den Einschätzungen des Koordinators der IGA, Alexander Fuchs, durch seine alltägliche Vereinsarbeit im täglichen Kontakt mit den Unternehmen, Partnern, Kommunen und Menschen im Westerzgebirge. Als rechtliche Vertretung hat das IGA-Präsidium (Präsident Marcel Koch, Vizepräsident Henry Sobieraj, Schatzmeister Andreas Heyn) diese Positionierung in Ihrem Inhalt geprüft und bestätigt. Wir bedanken uns bei unseren Mitgliedsunternehmen für das entgegengebrachte Vertrauen, sowie für die aktive Zuarbeit für diese Positionierung.

Unser IGA-Präsident Marcel Koch und Vereinskoordinator Alexander Fuchs im Interview mit der Freien Presse vom 23.01.2024 zum aktuellen Protestgeschehen der Landwirte. HIER geht's zum Artikel

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